Der Lenkwinkelsensor & Beschleunigungssensoren: ein vollständiger Leitfaden

Der Lenkwinkelsensor ist meistens genau dort montiert, wo Sie diesen auch suchen würden: hinter dem Lenkrad, rundum die Lenksäule. Gelegentlich entscheidet sich ein Hersteller dafür, den Sensor in der Nähe des Lenkgehäuses anzubringen, das kommt aber ziemlich selten vor. Es gibt mehrere Typen von Lenkwinkelsensoren. Der Typ auf der Grundlage des Hall-Effekts ist am beliebtesten, aber auch Versionen mit Schleifkontakten kommen noch immer vor. Darüber hinaus existieren auch noch digitale optische Sensoren, die ein spezifisches Signal für den zu dem Zeitpunkt gemessenen Drehwinkel aussenden. Im Folgenden werden wir die Unterschiede zwischen den verschiedenen Typen kurz aufzeigen.

Analog mit Schleifkontakt

Der analoge Lenkwinkelsensor besteht aus zwei Potenziometern, die auch als „Spannungsteiler“ bezeichnet werden. Diese Spannungsteiler verwenden eine feste Widerstandsbahn (häufig aus Kohlenstoff), durch die die Spannung verläuft. Ein beweglicher Schleifkontakt bewegt sich über diese Widerstandsbahn; die Position, an der sich der Kontakt an dem betreffenden Moment befindet, legt die Höhe der durchgegebenen Spannung fest. Es gibt Versionen, die mit einer Referenzspannung von 5 Volt arbeiten, und Versionen, die 12 Volt verwenden. Der zweite Spannungsteiler ist übrigens nicht zur Kontrolle gedacht, sondern dient dazu, die Drehrichtung des Lenkrads zu bestimmen: linksherum oder rechtsherum. Indem die Spannungsteiler entgegengesetzt positioniert werden, kann durch die Differenz bei der Spannung bestimmt werden, ob sich das Lenkrad im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn dreht. Die abgegebene Spannung in der Null-Position (wenn das Lenkrad und die Räder gerade stehen) kann bei jedem Spannungsteiler unterschiedlich sein. Das wurde bewusst so gewählt, sodass nachgemessen werden kann, ob der Lenkwinkelsensor korrekt funktioniert. Es gibt inzwischen sehr viele Varianten von diesem Typ Lenkwinkelsensor; daher können wir leider keine spezifischen Messwerte angeben.

Hall-Effekt

Lenkwinkelsensoren, die den Hall-Effekt nutzen (z. B. Bosch LWS5 und LWS6), arbeiten kontaktlos und haben daher keine Probleme durch Verschleiß. Bei dieser Art von Lenkwinkelsensoren wird ein mehrpoliger Ring verwendet (genau wie bei aktiven Radsensoren). Die Hall-Sensoren (das sind tatsächlich mehrere) erfassen jede Bewegung mit einer Genauigkeit von 1,5 Grad und generieren Rechtecksignale, die an das Steuergerät gesendet werden. Die Phase des Signals von jedem Hall-Sensor ist unterschiedlich; dadurch kann direkt die Drehrichtung bestimmt werden und es kann ausgeschlossen werden, dass der Sensor nicht einwandfrei funktioniert. Anschließend folgt eine Berechnung des aktuellen Lenkwinkels, der Drehrichtung und der Drehzahl. Das Ergebnis wird in ein CAN-Signal umgewandelt und direkt an die ESP-ECU gesendet.

Ein Teil in ihrem Auto ist defekt?

Starten Sie noch heute Ihren Reparatur-Auftrag.

Bewertet mit einer 9,6
Für alle gängigen Automarken
Service zum Top-Preis
Ausschließlich Kfz-Werkstätte

Auftrag Starten

Keine Kfz-Werkstatt?

Optisch

Insbesondere Mercedes-Benz war eine Zeit lang ein großer Fan von optischen Lenkwinkelsensoren. Auch dieser Sensortyp generiert mehrere Rechtecksignale; allerdings wird dabei Licht anstelle von Magnetismus verwendet. Durch die Verwendung mehrerer Bahnen mit jeweils einem spezifischen Lochmuster werden unterschiedliche Signale erzeugt. Diese Signale werden vom Controller verglichen und das Ergebnis wird in ein brauchbares digitales Signal umgewandelt.

In erster Instanz sollte man erwarten, dass dieser Sensortyp eigentlich genauso gut funktioniert wie ein Hall-Sensor; bei optischen Sensoren gibt es jedoch ein großes Problem: Verschmutzung. Ein kleines bisschen Staub kann schon ausreichen, um den Lichtstrahl zu blockieren und damit das Signal zu stören. Optische Sensoren sind daher nur für den Einsatz in einer komplett abgeschlossenen Umgebung geeignet.

Kalibrierung

Mit guten Diagnosegeräten kann ein Lenkwinkelsensor ganz einfach kalibriert werden. Häufig reicht es aus, um einmal ganz nach links und ganz nach rechts zu lenken, um den Sensor komplett „anzulernen“. Es gibt sogar selbstlernende Sensoren. Bei diesen Sensoren braucht nur einmal mit eingeschalteter Zündung ganz nach links und ganz nach rechts gelenkt zu werden. Das ESP-System kann in vielen Fällen auch selbst erkennen, ob eine Kalibrierung erforderlich ist, indem es die Werte des Lenkwinkelsensors mit denen der verschiedenen Beschleunigungssensoren vergleicht. Falls das System erfasst, dass das Fahrzeug kontinuierlich geradeaus fährt, der Lenkwinkel jedoch zu stark abweicht, schaltet sich das ESP aus und eine Störungsanzeige leuchtet auf.

Elektrische Servolenkung

Der Lenkwinkelsensor wird nicht nur dazu verwendet, das ESP anzusteuern, sondern auch für die Regelung der elektrischen Servolenkung. Ein Elektromotor verstärkt die Lenkbewegung, wenn eine Änderung beim Lenkwinkel erfasst wird. Eine hydraulische Verstärkung ist damit überflüssig. Dieses System hat nicht nur den Vorteil, dass damit Platz und Gewicht gespart werden, damit kann auch die Lenkung individuell eingestellt werden. Beim Lenken kann dann zum Beispiel ein komfortables oder ein sportliches Gefühl vermittelt werden. Außerdem kann das System beim Einparken sehr praktisch sein; denken Sie zum Beispiel an den „City“-Modus bei Fiat, mit dem sich das Drehen des Lenkrads viel leichter anfühlt. Ein Nachteil der elektrischen Servolenkung ist allerdings der Mangel an „Straßengefühl“: Dadurch, dass der Elektromotor die Bewegung festlegt, werden Reaktionen der Räder auf der Fahrbahn kaum noch spürbar an das Lenkrad übermittelt.

Beschleunigungssensoren

Neben dem Lenkwinkel benötigt die „ESP-ECU“ auch aktuelle Werte, die angeben, welche Bewegung das Fahrzeug macht. Dafür sind die Beschleunigungssensoren vorgesehen. Diese Sensoren sind in zwei Varianten zu unterteilen: in laterale Beschleunigungssensoren und in Gierratensensoren. Allerdings werden Sie diese Sensoren in der Praxis so gut wie nie getrennt antreffen: Sowohl Continental als auch Bosch haben diese Sensoren nämlich in ein Gehäuse eingebaut. Die Funktion dieser Sensoren erläutern wir gerne am Beispiel des etwas älteren Sensortyps Bosch 5.7 ESP.

Der ESP-Sensor verwendet eine Spannungsversorgung (12 V), Masse und ein „BITE“ (Rechtecksignal 0 – 6,8 V). Das „BITE“ dient zur Überprüfung der Eigenfunktion und wird mit dem Ausgangssignal des Gierratensensors mitgesendet. Darüber hinaus verwendet der Gierratensensor eine Referenzspannung (2,5 V). Der Gierratensensor wird diese Referenzspannung positiv oder negativ beeinflussen: positiv bei einem positiven Gierwinkel, negativ bei einem negativen Gierwinkel. Der Output variiert dadurch zwischen 0,7 V und 4,3 V. Dadurch dass das Kontroll-Bite dieses Signal beeinflusst, muss das Ausgangssignal wie folgt aussehen:

ACHTUNG: Bei einem geradlinigen Signal ist der Sensor daher defekt!

Der laterale Beschleunigungssensor verwendet keine Referenzspannung und kein Kontroll-Bite. Das Ausgangssignal ist eine gerade Linie und variiert zwischen 0,5 V und 4,5 V. Um diese Werte zu erzielen, muss eine Schwerkraft von -1,5 G oder +3,5 G erreicht werden.

Evolution

Obwohl die Beschreibung oben einen guten Einblick in die Funktion von ESP-Sensoren vermittelt, hat sich in der Zwischenzeit wieder vieles geändert. Genau wie bei der übrigen Elektronik in Fahrzeugen erfolgte auch beim ESP langsam ein Übergang von analogen Signalen zu CAN-Nachrichten. Ein einziges zentrales Netzwerk bietet schließlich viele Vorteile. Zwei dieser Vorteile möchten wir hier nennen: Das Signal ist im gesamten Fahrzeug verfügbar und es werden enorme Einsparungen bei den Kabeln realisiert. Das bedeutet weniger Platzbedarf und weniger Gewicht.

Auch die Technik in den Sensoren selbst wurde weiterentwickelt. Wenn wir zum Beispiel den Bosch 5.7 ESP und den Bosch 8.0 ESP vergleichen, sehen wir deutliche Unterschiede. Sowohl beim lateralen Sensor als auch beim Gierratensensor wird jetzt piezoelektrisches Material verwendet, das eine immer größere Spannung abgibt, je größer die Beschleunigungskraft wird:

In der Mitte des piezoelektrischen Materials wurde eine gefederte Masse angebracht. Wenn das Fahrzeug in eine bestimmte Richtung beschleunigt oder dreht, tut diese Masse das auch. Die Kraft, die erforderlich ist, um diese Masse aus der Ruheposition zu bewegen, generiert eine bestimmte Spannung im piezoelektrischen Material. Wir müssen Ihnen wahrscheinlich nicht erläutern, dass diese Spannung steigt, je mehr die Masse aus der Ruheposition bewegt wird.

Diese Spannung wird ihrerseits wieder in ein elektrisches Signal umgewandelt. Indem eine Berechnung in Bezug auf die Werte der lateralen Beschleunigung und der Drehbeschleunigung angestellt wird, kann auch die Bewegung des Fahrzeugs mit dem Lenkwinkel verglichen werden.

Interessantes Hintergrundwissen:

Die neuere Generation der Gierratensensoren wird auch „iMEMS“ genannt: integrated Micro Electro-Mechanical System. Der Gierratensensor ist durch diese Technik so klein geworden, dass eine Integration in das Steuergerät (ECU) kein Problem mehr darstellt. Moderne ABS-Steuergeräte, zum Beispiel bestimmte Typen des ATE Teves MK60E, benötigen dadurch überhaupt keine externen ESP-Sensoren mehr. Berücksichtigen Sie bei Störungen im Zusammenhang mit der ESP daher immer, dass sich die Störung auch innerhalb des Steuergeräts befinden kann.

Active Steering

Mit Active Steering (Aktivlenkung) ausgeführte Fahrzeuge, z. B. von BMW und Mercedes-Benz, verfügen über zwei ESP-Sensoren: einen Hauptsensor unter dem Fahrersitz und einen sekundären Sensor unter dem Beifahrersitz. Der zweite Sensor ist zum größten Teil mit dem Hauptsensor identisch, er hat jedoch einen Abschlusswiderstand (den der Hauptsensor nicht hat) und verwendet auch eine andere CAN-ID. Die Sensoren können daher nicht untereinander ausgetauscht werden. Die Weise, auf die die beiden Sensoren vom ESP-System genutzt werden, unterscheidet sich deutlich. Die Werte des zweiten Sensors werden lediglich zur Kontrolle der Werte des Hauptsensors verwendet. Der zweite Sensor kann die Funktion des Hauptsensors daher nicht übernehmen. Wenn ein Unterschied zwischen den beiden Sensoren gemessen wird, schaltet das System auf Störung. Übrigens arbeiten beide Sensoren passiv: Es wird erst ein Signal gesendet, wenn das ECU des ESP-System dieses anfordert. Wie bereits oben angegeben, wird jedoch alle 10 Millisekunden ein Signal angefordert.